Kassel bringt als universitärer Standort Potential in Form von jungen Absolventen hervor, schafft es aber nicht dieses zu nutzen und an die Stadt zu binden. Es gibt wenige Schaffungsräume für die kreative Szene und genauso wenige Rückzugsgebiete. Der Subkultur werden zusätzlich Steine in den Weg gelegt, während der Hochkultur zu applaudiert wird. Der Schein einer Großstadt, der alle fünf Jahre durch Kassel rauscht, verfliegt schon nach wenigen Tagen nach Beendigung der Documenta. Gerade die Documenta 2017, die es verstand ungenutzte Räume und Potential zu erkennen und in Szene zu setzen, hinterlässt Kassel in einem tristeren Bild als vor Beginn der Kunstausstellung. Alle wieder entdeckten Räume, werden wieder vergessen und fallengelassen. Als würde man der Kunst bedeutungsvoll zunicken, aber keine Ahnung haben, was sie uns eigentlich sagen will.
Während der Bearbeitung dieses Projekts wurden wir immer wieder mit der Erwartung konfrontiert, fertige Ergebnisse abliefern zu müssen. Das war aber nie der Anspruch dieses Projekts und ist es auch jetzt nicht. Viel mehr wollen wir durch dieses Projekt einen Weg aufzeigen; dass dieser Weg mitunter sehr steinig sein kann, haben wir durch den starken Gegenwind, besonders zu Beginn des Projekts, gemerkt.
Ein Planerischer Eingriff wie die Umnutzung / Neuplanung eines Bausteins wie des ehemaligen Versorgungsamts verändert die Stadt und erfordert die Mitsprache der Bevölkerung. Dafür ist es unbedingt erforderlich, dass dieser die Chance gegeben wird, gehört und ernstgenommen zu werden. Um dabei zu nachhaltigen und guten Konzepten zu kommen, die über ein Bauchgefühl oder den aktuellen Konsens hinausgehen, muss diese Bevölkerung aber auch für die wesentlichen Themen sensibilisiert und aufgeklärt werden. Dabei darf es jedoch nicht darum gehen, die Idee mit dem größten Konsens herzustellen, sondern schlicht die beste Idee. Für die Planer entsteht dadurch in den nächsten Jahren ein Mehraufwand; neben dem klassischen Planungsauftrag bekommen wir auch einen Bildungsauftrag. Dafür müssen der Bevölkerung und auch den PlanerInnen bessere Tools und Handlungsräume zur Verfügung gestellt werden.
Trotz wiederholtem Appell, zu verschiedenen Terminen und auf vielen Kanälen, an die Beteiligten sind nach unserem Workshop „pop up amt“ nur vereinzelte Fragebögen beantwortet zurückgekommen. Die Nachfrage war so gering, dass eine qualifizierte Auswertung bis zum heutigen Datum nicht möglich war. Dennoch war der Workshop für uns ein Erfolg; vor allem durch die Präsenz in den Medien wurden wir auf einmal ernst genommen und immer wieder eingeladen unser Projekt vorzustellen. Wir hätten eine differenziertere Auseinandersetzung mit uns, sowie unseren Inhalten und Forderungen interessanter gefunden, haben den Effekt aber auch gern genutzt.
Und wir wollen ihn auch jetzt nutzen; Es gibt unzählige innerstädtische Brachen und Bestandsgebäude, die immer weiter verfallen. Investoren und Holdings haben nur ihre Finger auf den Objekten und meinen, großmaßstäbliche Projekte mit einem satten Profit darauf entwickeln zu müssen. Doch daran mangelt es nicht. Es mangelt an guten Räumen für eine mittlerweile viel zu stark geschrumpfte Szene, der hier kein Halt gewährt wird. Es mangelt an Räumen für junge kreative, die auch nach ihrem Abschluss in der Stadt bleiben wollen. Es mangelt an starken Konzepten für das vorhandene Potential.
Wir hoffen, dass Kassel umdenkt. Und dabei meinen wir nicht nur die zuständigen Ämter und den Redakteur der HNA, der das Versorgungsamt und viele andere Gebäude als Schandfleck bezeichnet. Wir meinen alle Bewohner dieser Stadt. Diese Stadt muss endlich lernen, ihr Potential zu erkennen und zu nutzen. Das ist der Weg, den wir zeigen wollen. Wir finden, dass auch jene vermeintlich hässlichen Schandflecke dazugehören, über deren Erhalt man sich weigert nachzudenken. Wir sagen, dass die Würde des Hauses wiederhergestellt ist und schon allein durch den Umzug der Beamten etwas entstanden ist. Platz für etwas neues.